Seit Samstag, den 30. April, laufen die 68. Kurzfilmtage Oberhausen. Oder besser gesagt: Der Online-Part des Festivals, das dieses Jahr hybrid stattfindet. Neben den originären Inhalten des im letzten Jahr gestarteten Portals „This Is Short“ kann man mit einem entsprechenden Festivalpass die Beiträge des Internationalen und des Deutschen Online-Wettbewerbs ansehen. Der digitale Part des Festivals läuft noch bis zum 3. Mai.
Am 4. Mai startet dann der Präsenzpart des Festivals, der bis zum 9. Mai stattfindet und sich in verschiedene Sektionen aufteilt. Das diesjährige Themenprogramm Als Land steht dieses Jahr Litauen im Fokus – am 5. und 6. Mai werden an drei Terminen insgesamt 16 Filme aus dem baltischen Staat gezeigt. Es gibt ein Screening von Team-Favoriten, es gibt Kurzfilme aus und über das Ruhrgebiet, es gibt drei Termine mit Shorts der europäischen Kurzfilmpreise, es gibt eine Sektion für Kinder- und Jugendfilme usw. usf. Herzstück der Kurzfilmtage sind allerdings die Wettbewerbe: Der Deutsche Wettbewerb, der Internationale Wettbewerb, der Kinder- und Jugendwettbewerb und der NRW-Wettbewerb.
Unter den neun Filmen im NRW-Wettbewerb haben gleich drei Köln-Bezug. Rainer Knepperges, Mitbegründer des Filmclub 813 und Mitglied der Kölner Gruppe, ist ein alter Hase, dessen Experimental-Doku The Mystery (2021) auf den Kurzfilmtagen zu sehen ist. Laurenz Otto, Regieabsolvent der ifs internationale filmschule köln, ist mit seinem Abschlussfilm Allen Zweifeln zum Trotz (2022), einem fiktionalen 15-Minüter über eine Vater-Sohn-Beziehung, im Wettbewerb vertreten.
Derzeit noch im Studium an der Kunsthochschule für Medien (KHM) sind Felix Bartke und Nils Ramme, deren Projektarbeit Cruiser (2022) gezeigt wird. Eine Art Homecoming für den 22-Minüter, der seine Weltpremiere im NRW-Wettbewerb feiert. „Die Wurzeln des Films liegen gewissermaßen in der Kurzfilmtagen Oberhausen. Als wir vor drei Jahren auf dem Festival waren und uns in der Mittagspause etwas zu essen geholt haben, sahen wir Biker von den ‚Wild Hogs‘ herumstehen, so ungefähr 15 Leute. Aus Neugier haben wir die angesprochen und sind so mit denen in Kontakt gekommen“, berichtet Ramme von der Genese von Cruiser. Die „Wild Hogs“, voller Name „Oberhausener Cruiser NC – Wild Hogs“, sind ein Verein, der sich viel vom Stil und der Attitüde von Motorradclubs abgeschaut hat, aber noch selbst in die Pedale tritt. Die Mitglieder mit ihren Kutten, Patches und Tattoos gestalten ihre Fahrräder so individuell wie ihre Westen und ihr Aussehen. „Bei unseren Recherchen kamen wir dann auch darauf, dass das Ganze ein weltweites Phänomen ist“, fährt Ramme fort. Man habe auch mit anderen Gruppen aus anderen Städten gesprochen, sich letztlich aber für die Oberhausener Cruiser als Protagonisten dieses dokumentarischen Stücks entschieden, die den Initialimpuls gaben.
Zwar lag das Projekt nach Kurzfilmtagen 2019 erst rund ein Jahr auf Eis, doch dann war es – Ironie des Schicksals – ausgerechnet das Coronavirus, das den Anstoß gab. „Als der Lockdown alles entschleunigte, sind wir zu dem Projekt zurückgekehrt“, erinnert sich Bartke. Aufgrund der pandemiebedingten Restriktionen war den KHM-Studierenden im Sommer 2020 nur dokumentarisches Arbeiten möglich, Spielfilme kamen durch die Auflagen nicht in Frage. „Wir wollten sowieso auf jeden Fall dokumentarisch arbeiten“, beschreibt Ramme den Film, die erste Projektarbeit der beiden KHM-Studenten. Jedoch ist Cruiser nicht rein dokumentarisch. „Es gibt auch eine inszenierte Ebene, die im Studio auf 16mm Film entstand, in denen wir stilistische Posen und Gesten der Biker gedreht haben. Filmisch ist das Ganze eine Mischform, die uns persönlich am meisten interessiert“, beschreibt Ramme ihre Arbeit.
„Wir wollten die Agency dieser Leute verstehen, wie entsteht so eine Szene? Sind das abtrünnige Biker, sind das Umweltaktivisten? Wir wollten dieser Oberhausener Subkultur auf den Grund gehen, uns die Dynamiken innerhalb der Gruppe anschauen“, fasst sein Co-Regisseur die Intention hinter Cruiser zusammen. „Für uns ist der Film eine Analyse von Männlichkeitsdynamiken, eine Art soziologische Studie, welche diese Subkultur allerdings wertfrei betrachtet und untersucht.“ Dementsprechend gibt es in Cruiser keinen Off-Kommentar, keine Leseanweisung durch die Regisseure. Der Kurzfilm zeigt die „Wildsäue“ in ihrem Alltag, bei Vereinstreffen oder bei Interviews, in denen sie über sich und ihr Hobby sprechen.
Ramme beschreibt die Freizeitkultur, die er und Bartke gemeinsam mit ihrem Kameramann und Bildgestalter Fabian Martin Anger untersucht haben, folgendermaßen: „Dieses Cruisen mit dem Fahrrad schafft für sie eine Identität, die sehr komplex ist. Die meisten von ihnen stehen politisch links, einige jedoch politisch eher rechts, aber sie sind durch die gemeinsame Liebe zum Fahrrad verbunden. Außerdem wollten wir schauen, wie sich der klassische Männlichkeitsmythos vom Biker auf der Harley im Vergleich dazu verhält.“ Er und Bartke sind besonders glücklich, dass es ihr Werk in den NRW-Wettbewerb geschafft hat und unter den Einreichungen ausgewählt wurde. „Es war uns sehr wichtig, dass Cruiser in Oberhausen läuft, denn in unserem Kopf ist der Film aufgrund seiner Entstehungsgeschichte eng mit dem Festival verknüpft“, erläutert Bartke.
Zwei Jahre nach dem Dreh gelangt das Projekt nun ans Licht der Öffentlichkeit – und damit auch zu denen, die daran teilnahmen. „Wir hatten gehofft, dass wir ihn den Menschen, die dabei mitgemacht haben, auch im Kino zeigen können. Die Kurzfilmtage Oberhausen sind natürlich die ideale Bühne dafür. Viele unserer Protagonisten von den ‚Wild Hogs‘ werden vor Ort dabei sein“, freut sich Ramme. Auch beim Dreh blieb der Bezug zu den Kurzfilmtagen gewahrt. „Einige Szenen sind auf dem Festivalgelände entstanden, an dem Platz, wo sonst die Partys sind“, gibt Bartke eine Insider-Info weiter. Cruiser ist im zweiten Teil des NRW-Wettbewerbs zu sehen (6. Mai, 20 Uhr; Wiederholung: 7. Mai, 20 Uhr).
Alle weiteren Infos zum Festivalprogramm, dem Online-Wettbewerb und den Tickets gibt es auf der Homepage des Festivals.
Seit Samstag, den 30. April, laufen die 68. Kurzfilmtage Oberhausen. Oder besser gesagt: Der Online-Part des Festivals, das dieses Jahr hybrid stattfindet. Neben den originären Inhalten des im letzten Jahr gestarteten Portals „This Is Short“ kann man mit einem entsprechenden Festivalpass die Beiträge des Internationalen und des Deutschen Online-Wettbewerbs ansehen. Der digitale Part des Festivals läuft noch bis zum 3. Mai.
Am 4. Mai startet dann der Präsenzpart des Festivals, der bis zum 9. Mai stattfindet und sich in verschiedene Sektionen aufteilt. Das diesjährige Themenprogramm Als Land steht dieses Jahr Litauen im Fokus – am 5. und 6. Mai werden an drei Terminen insgesamt 16 Filme aus dem baltischen Staat gezeigt. Es gibt ein Screening von Team-Favoriten, es gibt Kurzfilme aus und über das Ruhrgebiet, es gibt drei Termine mit Shorts der europäischen Kurzfilmpreise, es gibt eine Sektion für Kinder- und Jugendfilme usw. usf. Herzstück der Kurzfilmtage sind allerdings die Wettbewerbe: Der Deutsche Wettbewerb, der Internationale Wettbewerb, der Kinder- und Jugendwettbewerb und der NRW-Wettbewerb.
Unter den neun Filmen im NRW-Wettbewerb haben gleich drei Köln-Bezug. Rainer Knepperges, Mitbegründer des Filmclub 813 und Mitglied der Kölner Gruppe, ist ein alter Hase, dessen Experimental-Doku The Mystery (2021) auf den Kurzfilmtagen zu sehen ist. Laurenz Otto, Regieabsolvent der ifs internationale filmschule köln, ist mit seinem Abschlussfilm Allen Zweifeln zum Trotz (2022), einem fiktionalen 15-Minüter über eine Vater-Sohn-Beziehung, im Wettbewerb vertreten.
Derzeit noch im Studium an der Kunsthochschule für Medien (KHM) sind Felix Bartke und Nils Ramme, deren Projektarbeit Cruiser (2022) gezeigt wird. Eine Art Homecoming für den 22-Minüter, der seine Weltpremiere im NRW-Wettbewerb feiert. „Die Wurzeln des Films liegen gewissermaßen in der Kurzfilmtagen Oberhausen. Als wir vor drei Jahren auf dem Festival waren und uns in der Mittagspause etwas zu essen geholt haben, sahen wir Biker von den ‚Wild Hogs‘ herumstehen, so ungefähr 15 Leute. Aus Neugier haben wir die angesprochen und sind so mit denen in Kontakt gekommen“, berichtet Ramme von der Genese von Cruiser. Die „Wild Hogs“, voller Name „Oberhausener Cruiser NC – Wild Hogs“, sind ein Verein, der sich viel vom Stil und der Attitüde von Motorradclubs abgeschaut hat, aber noch selbst in die Pedale tritt. Die Mitglieder mit ihren Kutten, Patches und Tattoos gestalten ihre Fahrräder so individuell wie ihre Westen und ihr Aussehen. „Bei unseren Recherchen kamen wir dann auch darauf, dass das Ganze ein weltweites Phänomen ist“, fährt Ramme fort. Man habe auch mit anderen Gruppen aus anderen Städten gesprochen, sich letztlich aber für die Oberhausener Cruiser als Protagonisten dieses dokumentarischen Stücks entschieden, die den Initialimpuls gaben.
Zwar lag das Projekt nach Kurzfilmtagen 2019 erst rund ein Jahr auf Eis, doch dann war es – Ironie des Schicksals – ausgerechnet das Coronavirus, das den Anstoß gab. „Als der Lockdown alles entschleunigte, sind wir zu dem Projekt zurückgekehrt“, erinnert sich Bartke. Aufgrund der pandemiebedingten Restriktionen war den KHM-Studierenden im Sommer 2020 nur dokumentarisches Arbeiten möglich, Spielfilme kamen durch die Auflagen nicht in Frage. „Wir wollten sowieso auf jeden Fall dokumentarisch arbeiten“, beschreibt Ramme den Film, die erste Projektarbeit der beiden KHM-Studenten. Jedoch ist Cruiser nicht rein dokumentarisch. „Es gibt auch eine inszenierte Ebene, die im Studio auf 16mm Film entstand, in denen wir stilistische Posen und Gesten der Biker gedreht haben. Filmisch ist das Ganze eine Mischform, die uns persönlich am meisten interessiert“, beschreibt Ramme ihre Arbeit.
„Wir wollten die Agency dieser Leute verstehen, wie entsteht so eine Szene? Sind das abtrünnige Biker, sind das Umweltaktivisten? Wir wollten dieser Oberhausener Subkultur auf den Grund gehen, uns die Dynamiken innerhalb der Gruppe anschauen“, fasst sein Co-Regisseur die Intention hinter Cruiser zusammen. „Für uns ist der Film eine Analyse von Männlichkeitsdynamiken, eine Art soziologische Studie, welche diese Subkultur allerdings wertfrei betrachtet und untersucht.“ Dementsprechend gibt es in Cruiser keinen Off-Kommentar, keine Leseanweisung durch die Regisseure. Der Kurzfilm zeigt die „Wildsäue“ in ihrem Alltag, bei Vereinstreffen oder bei Interviews, in denen sie über sich und ihr Hobby sprechen.
Ramme beschreibt die Freizeitkultur, die er und Bartke gemeinsam mit ihrem Kameramann und Bildgestalter Fabian Martin Anger untersucht haben, folgendermaßen: „Dieses Cruisen mit dem Fahrrad schafft für sie eine Identität, die sehr komplex ist. Die meisten von ihnen stehen politisch links, einige jedoch politisch eher rechts, aber sie sind durch die gemeinsame Liebe zum Fahrrad verbunden. Außerdem wollten wir schauen, wie sich der klassische Männlichkeitsmythos vom Biker auf der Harley im Vergleich dazu verhält.“ Er und Bartke sind besonders glücklich, dass es ihr Werk in den NRW-Wettbewerb geschafft hat und unter den Einreichungen ausgewählt wurde. „Es war uns sehr wichtig, dass Cruiser in Oberhausen läuft, denn in unserem Kopf ist der Film aufgrund seiner Entstehungsgeschichte eng mit dem Festival verknüpft“, erläutert Bartke.
Zwei Jahre nach dem Dreh gelangt das Projekt nun ans Licht der Öffentlichkeit – und damit auch zu denen, die daran teilnahmen. „Wir hatten gehofft, dass wir ihn den Menschen, die dabei mitgemacht haben, auch im Kino zeigen können. Die Kurzfilmtage Oberhausen sind natürlich die ideale Bühne dafür. Viele unserer Protagonisten von den ‚Wild Hogs‘ werden vor Ort dabei sein“, freut sich Ramme. Auch beim Dreh blieb der Bezug zu den Kurzfilmtagen gewahrt. „Einige Szenen sind auf dem Festivalgelände entstanden, an dem Platz, wo sonst die Partys sind“, gibt Bartke eine Insider-Info weiter. Cruiser ist im zweiten Teil des NRW-Wettbewerbs zu sehen (6. Mai, 20 Uhr; Wiederholung: 7. Mai, 20 Uhr).
Alle weiteren Infos zum Festivalprogramm, dem Online-Wettbewerb und den Tickets gibt es auf der Homepage des Festivals.
Nils Bothmann